Willkommen auf der ARCHIV-Seite des Bullinger-Jubliäums vom Jahre 2004
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Heinrich Bullinger: Zu Unrecht vergessen

Artikel von Delf Bucher aus "Kirchenbote für den Kanton Zürich", 10/2004

Heinrich Bullinger wird im Ausland oft neben Luther, Calvin und Zwingli als vierter Reformator in die Ahnengalerie eingereiht. In der Schweiz dagegen ist Bullinger heute der Ťgrosse Unbekannteť.

Heinrich Bullinger
 

Heinrich Bullinger – manche erinnern sich noch schwach an seinen Namen. Aber die Verdienste des ersten Zürcher Kirchenvorstehers nach Zwinglis gewaltsamem Tod sind kaum mehr bekannt. 44 Jahre hat Bullinger die Geschicke der Zürcher Kirche in den Sturmzeiten von Glaubenskrieg, Pest und Hungersnot geleitet. Er hat die Weichen bis ins 19. Jahrhundert hinein gestellt für ein gut funktionierendes Zusammenspiel von Kirche und Staat. Aber heute hüllt sich – ganz im Gegensatz zum Ausland – ein Mantel des Vergessens über ihn. Dass im fernen Ungarn oder Rumänien Bullinger in den reformierten Gemeinden immer noch bekannt ist, liegt in seinem europaweit angelegten Netzwerk begründet, das Bullinger mit Tausenden von Briefen zeit seines Lebens aufrechterhielt. Aber vor allem das von ihm formulierte ŤZweite Helvetische Bekenntnisť lässt den Stern Bullingers in Osteuropa und selbst in Afrika noch heute leuchten. Bis 1868 war das Bekenntnis in Zürich noch jedem Reformierten vertraut, bevor es wegen der Aufhebung des Bekenntniszwangs auf den Abfallhaufen helvetischer Kirchengeschichte befördert wurde. In Bullingers Bekenntnis findet sich das wesentliche Kernstück reformierten Glaubens: ŤDie Predigt des Wortes Gottes ist Gottes Wort.ť Nicht die Sakramente wie bei der katholischen Messe, sondern das verkündete Wort bringt der reformierten Gemeinde das Heil.

Gottes Wort ist die unabänderliche Wahrheit. Das dämmerte Bullinger schon in seinen Jugendjahren. Als Student in den rheinischen Städten Emmerich und Köln kam er früh mit Luthers Schriften in Berührung. Reformatorisch gesinnt kehrte er von seinen Lehr- und Wanderjahren nach Bremgarten ins katholische Vater- und Pfarrhaus zurück. Der zu erwartende Vater-Sohn-Konflikt blieb aus. Auch Bullingers Vater wechselte die Seite. Aber ihm fehlte das Feuer, um Bremgarten zu reformieren. Vielleicht war es auch sein Lebensstil: Der katholische Pfarrherr lebte im Konkubinat, zeugte fünf Kinder und liebte Jagden und die Falknerei. Bullinger junior dagegen war sein Leben lang ein Ťpositiver Patriarchť (Die Wahrheit misst sich am Evangelium) mit Vorbildcharakter. Und er hatte rednerische Begabung. Bremgarten wurde von dem erst 25-Jährigen reformiert. Als er 1531 nach der Niederlage des reformierten Lagers bei Kappel aus Bremgarten flüchten musste, ging er nach Zürich und gab den Verunsicherten neuen Glaubensmut. Zeitgenossen berichten von seiner Predigt am 23. November 1531 im Grossmünster. Da kam es vielen vor, ŤZwingli sei nicht tot, sondern er sei gleich dem Phönix wieder erstanden.ť

Delf Bucher