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Artikel aus notabene: Versöhnung? Eine mennonitische Stellungnahme
Artikel aus "notabene", 2/2004
ŤWir haben mit ihnen rein gar nichts gemein!ť sagte der Zwingli-Nachfolger Heinrich Bullinger über die Täufer. Ist das so geblieben? Was ist aus den Täufern geworden, und wo stehen sie heute? Notabene hat Hanspeter Jecker, mennonitischer Historiker und Dozent, um einen Überblick und eine Stellungnahme zu den Chancen einer Versöhnung gebeten.
Die Mennonitengemeinden der Schweiz gehen zurück auf die Täuferbewegung der Reformationszeit im frühen 16. Jahrhundert. Sie gelten als älteste protestantische Freikirche. Anders als das mit obrigkeitlichem Zwang durchgesetzte Modell der Volkskirche schwebte den Taufgesinnten eine auf freiwilliger Mitgliedschaft basierende, obrigkeitsunabhängige Gemeinde vor. Im Januar 1525 begannen darum einige ehemalige Mitarbeiter und Freunde Zwinglis in Zürich mit der Taufe von Erwachsenen, welche auf diese Weise freiwillig ihren Glauben bezeugten. Etwa zur gleichen Zeit entstanden auch andernorts in Europa ähnliche Bewegungen, welche man insgesamt als ŤRadikale Reformationť bezeichnet.
Der Zorn der Mächtigen
Durch ihre Kritik an einer in ihren Augen unheilvollen Allianz von Kirche und Obrigkeit zogen Täuferinnen und Täufer bald den Zorn der Mächtigen auf sich. Trotz rasch einsetzender Verfolgung verbreitete sich die nach einem ihrer Leiter dem Niederländer Menno Simons (1496-1561) zunehmend auch als ŤMennonitenť bezeichnete Bewegung der ŤWiedertäuferť vorerst aber recht rasch quer durch Europa und später auch nach Nord- und Südamerika. Gefängnis, Folter, Güterkonfiskation, Verbannung und Hinrichtung trieben das Täufertum aber immer mehr in die Isolation. Dies half mit, den Boden zu bereiten für wachsende gesellschaftliche Absonderung und eine bisweilen auch theologische Enge mit teils schmerzhaften Fehlentwicklungen. Interne Konflikte führten 1693 zur Entstehung der strengeren und weltabgewandteren Bewegung der Amischen.
Vertreibung aus Zürich
Aus Zürich ist dieser Flügel der ŤRadikalen Reformationť nach einem erneuten Aufblühen im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert durch intensive Verfolgung (inkl. umfangreiche Güterkonfiskationen!) bis 1700 fast völlig von der Bildfläche verschwunden. Spuren täuferischen Glaubens mit zürcherischen Wurzeln ziehen sich aber mittels Auswanderung und Flucht vorerst nach Mähren, sodann vor allem ins Elsass, in die Pfalz und nach Nordamerika, wo noch heute Zehntausende von Nachfahren jener frühen Emigranten leben und nicht selten immer noch Mitglieder täuferisch-mennonitischer Kirchen sind.
Wiedererstarken
Erst mit der Aufklärung und der Französischen Revolution begann in Europa der äussere Druck nachzulassen. Einflüsse aus Pietismus und Erwe-ckungsbewegungen im 18. und 19. Jahrhundert liessen die täuferischen Gemeinden anwachsen und zu neuem geistlichem Leben finden, verstärkten aber auch den Rückzug als ŤStille im Landeť. Mit dem Hineinwachsen in eine zunehmend tolerante und pluralis-tische Gesellschaft im 20. Jahrhundert stellt sich heute die Frage nach der eigenen kirchlichen und theologischen Identität auch den täuferischen Gemeinden immer wieder mit grosser Dringlichkeit.
Wo Mennoniten heute leben
Eine kontinuierliche Präsenz täuferisch-mennonitischer Gemeinden von den Anfängen bis in die Gegenwart gibt es in der Schweiz nur im Kanton Bern. Im Emmental, in den Agglomerationen Bern und Biel sowie im Neuenburger Jura gibt es je eine Gemeinde, im Kanton Jura zwei, im Raum Basel drei und im Berner Jura fünf Gemeinden.
Was Mennoniten glauben
Immer wieder haben massgebliche Vertreter der evangelischen Landeskirchen festgestellt, dass es entsprechend den gemeinsamen Wurzeln in der Reformation Ťin den Hauptstücken des Glaubensť kaum Differenzen zum Täufertum gebe. Welches waren denn nun aber gleichwohl diejenigen täuferischen Überzeugungen und Verhaltensweisen, welche auch schweizerische Obrigkeiten und Kirchen jahrhundertelang nicht dulden zu können glaubten? Welches waren die Herausforderungen und Fragen, mit denen eine meist erstaunlich geringe Anzahl täuferischer Männer und Frauen ihre Zeitgenossen in einem Ausmass verunsichert hat, welches heute zu überraschen vermag?
Kehrseiten und neue Herausforderungen
All dies sind Anliegen, welche die Täuferbewegung quer durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder vertreten hat zur Zeit und zur Unzeit! Manches davon ist auch bei ihr mittlerweile verloren gegangen oder in den Hintergrund gerückt.
Heute sind alle Kirchen Minderheiten
Das Zeitalter der Kirche als einer triumphierenden Mehrheit nach konstantinischem Muster scheint vorbei zu sein auch für Landeskirchen. Heute bewegt wohl alle Kirchen die Frage, was es heisst, als Minderheit in einer pluralistischen und individualistischen Zeit ŤLicht und Salzť zu sein. Das eröffnet neue Perspektiven: Sowohl Gefährdungen als auch Chancen.
Über Sinn und Unsinn von ŤVersöhnungseventsť
Der ernsthafte Dialog zwischen reformierter und täuferisch-mennonitischer Tradition findet bekanntlich schon seit längerem auf verschiedenen Ebenen statt. Und Begegnungen unter dem Vorzeichen von ŤSchritte der Versöhnungť scheinen gegenwärtig en vogue zu sein. Hier wird es gelten, über Chancen und Gefahren solcher ŤEventsť auch theologisch vertieft nachzudenken: Etwa über die Motive zu solchen Veranstaltungen, aber auch über die Frage, ob und inwiefern weit zurück liegende Schuld Konsequenzen bis in die Gegenwart hat. Der ŤTäufertagť vom 26. Juni wird Gelegenheit bieten, über diese und weitere Themen miteinander ins Gespräch zu kommen.
Es muss um theologische Inhalte gehen
Wenn ŤVersöhnungsprozesseť Sinn machen sollen, dann sollte es immer auch um theologische Inhalte gehen. Dabei kann Versöhnung durchaus auch dort geschehen, wo wir in einzelnen Fragen weiterhin nicht gleicher Meinung sind. Aber die Fragen, die damals zum Zerwürfnis geführt haben, sollten angesprochen und nicht unter den Tisch gewischt werden. Zumal dann nicht, wenn es uns nicht einfach Ťnurť um Vergangenheitsbewältigung und formale Schulterschlüsse geht, sondern um ein echteres und glaubwürdigeres Christuszeugnis. Weitere Inhalte:
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